Brief an Hans-Christian Ströbele

przez Helen Lewis

Sehr geehrter Herr Ströbele,

ich bin Mitglied einer internationalen Bürgerinitiative der polnischen Diaspora (Polish Media Issues, PMI), die sich seit über 11 Jahren mit der Beobachtung und Bekämpfung der verzerrten und diffamierenden Berichterstattung über Polen, vor allem Polens Geschichte, beschäftigt.

Ich wollte mich heute an Sie als den Genossen der Berliner Tageszeitung (TAZ) mit einer Frage wenden, die bis jetzt weder von der Chefredaktion von TAZ noch von den Vertretern der Genossenschaft beantwortet wurde, nämlich warum die TAZ versucht, sogar wenn in verschleierter Form (Karikatur vom 08.02.2017 anbei), Polen die Täterschaft an Naziverbrechen zu unterstellen? In der Karikatur wird die Scheinheiligkeit der offiziellen deutsch-polnischen Beziehungen angeprangert. Die Karikatur könnte sogar witzig und lehrreich sein, ist sie aber nicht, weil sie aus völlig unverständlichen Gründen und unpassend den polnischen Ex-Premier Kaczyński als „Blöden-Polen-Nazi“ bezeichnet.

Rechtlich gesehen ist eine Meinungsäußerung in Form von einer Karikatur erlaubt (z.B. BverfG AfP 1998, 53 Löffler/Ricker), unzulässig sind jedoch die Schmähkritik und Beleidigung. Das ist hier der Fall, insbesondere weil es keinen thematischen Zusammenhang zwischen dem Treffen von PiS-Chef Kaczyński mit Kanzlerin Merkel und der historisch völlig falschen Zuschreibung der Nazirolle an Kaczyński, den Sohn von polnischen Widerstandskämpfern gegen die deutschen Besatzer während des Zweiten Weltkrieges gibt. Diese Karikatur wäre isoliert betrachtet nur ein dummer Streich einer relativ unbedeutenden Tageszeitung, gesamtheitlich gesehen, reiht sie sich jedoch ein in eine ganze Reihe von völlig inakzeptablen Geschichtsverfälschungen der deutschen Medien im Sinne der vermeintlichen Täterschaft von Polen am Holocaust (z.B. „polnisches Konzentrationslager Ausschwitz“, „polnisches Ghetto“, Verbreitung der revisionistischen Ansichten des Pseudohistorikers der Princeton Universität Jan Tomasz Gross, der ausschließlich Polen die von SS-Hauptsturmführer Hermann Schaper und seinen Einsatzgruppen begangenen Massaker an Juden zuschreibt, etc).

Die Abgeordneten des Bundestages kämpfen zurecht gegen "fake news" und Beleidigungen, zuletzt ganz erfolgreich Ihre Parteikollegin und Bundestagsvizepräsidentin Frau Claudia Roth (siehe Spiegel-Bericht vom 14.02.2017), erstaunlicherweise tun sie aber nichts, wenn Polen, ein Land das durch die Hitlerherrschaft 6 Millionen Bürger, darunter 3 Millionen Juden verlor, als Nazis beschimpft werden (Volksverhetzung ist nach StGB § 130 strafbar). Manche Historiker, darunter Prof. Grzegorz Kucharczyk behaupten sogar, dass der Begriff „polnisches Konzentrationslager“ von dem ehemaligen Nazi Alfred Benzinger von der Dienststelle 114 des westdeutschen Geheimdienstes eingeführt wurde, um in dieser Weise die globale Wahrnehmung der deutschen Täterschaft im Zweiten Weltkrieg von Deutschland auf Polen und „staatenlose Nazis“ zu verschieben. Das polnische Außenministerium und meine Organisation PMI registrieren jährlich zwischen 200 und 300 Fälle von „polnischen Todeslagern“ in den Mainstream-Medien inkl. Nachrichtenagenturen wie ANSA, efe, AP oder in der Vergangenheit gelegentlich auch dpa. Dies kommt so weit, dass sogar die Konzentrationslager, die sich auf dem kerndeutschen Gebiet befanden wie Gross-Rosen (im „Australian Financial Review“) oder Dachau (im „New York Times“) als „polnische Konzentrationslager“ beschrieben werden.

Aus diesem Grund möchte ich Sie bitten, als den Genossen der TAZ und als das dienstälteste Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums meiner Organisation zu klären, warum deutsche Medien inklusive die Tageszeitung, die Sie mitentwickelt und in 90er Jahren mitgerettet haben, auf die Rhetorik, die wie Prof. Kucharczyk meint, von dem deutschen Geheimdienst eingeführt wurde, zugreifen.

Ich sende die Kopie meiner Anfrage auch an den Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums Herrn Clemens Binninger, Ihrer Parteikollegin Frau Roth, den Presseattache der polnischen Botschaft in Berlin Herrn Jacek Biegała, den Deutschen Presserat, Vertreter der polnischen Diaspora in Deutschland (bcc) und den Chef von PMI Jim Przedzienkowski aus den USA.

Ich wäre dankbar für Ihre Antwort und ich hoffe, dass auch die anderen deutschen Abgeordneten sich endlich mit diesem Thema befassen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. med. Marek Błażejak
Polish Media Issues
Hamburg

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