Marianna Popiełuszko erzählt den Märtyrertod ihres Sohnes Jerzy (1)

przez Halina Morhofer-Wojcik

Warschau, 8. März 2013

Als Johannes Paul II. am Grab dieses Priesters betete, soll er gesagt haben: „Wie Christus, so hat auch er durch sein Blut Europa gerettet.“ Wir sprechen von Jerzy Popiełuszko, dem selig gesprochenen polnischen Priester, der es nicht lassen konnte, Gutes zu tun. Seine Geschichte ist beispielhaft: Er hat das Gute gepredigt und bezeugt, bis zwei vom kommunistischen Regime gedungene Mörder ihn erst folterten und dann brutal ermordeten.

Um diesen modernen Heiligen besser verstehen zu können, führte Włodzimierz Rędzioch ein Interview mit seiner Mutter Marianna Popiełuszko. Ein Teil dieses Interviews wurde am 5. März 2013 vom Osservatore Romano veröffentlicht. Dziennik Berlinski veröffentlicht den ungekürzten Text nach ZENIT.org.

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Marianna hat müde Augen. Müde von ihren 92 Jahren, müde von über 70 Jahren harter Arbeit im Haus und auf den Feldern; müde von den vielen Tränen, die sie vergossen haben. Im Zweiten Weltkrieg erschossen die Russen den jüngsten ihrer Brüder, 1953 starb ihre zweijährige Tochter Edvige in ihren Armen, 1984 ermordete der Geheimdienst des kommunistischen Regimes ihren Sohn Jerzy; auch ihre junge Schwiegertochter starb unerwartet und hinterließ drei kleine Kinder, für die Marianna eine zweite Mutter wurde; zuletzt starb 2002, nach 60 Jahren gemeinsamen Lebens, auch ihr Ehemann. Doch in den müden Augen dieser kleinen und scheinbar so zerbrechlichen Frau ist kein Platz für Verzweiflung; stattdessen liest man darin einen inneren Frieden und eine Ruhe, die aus der Überzeugung kommen, dass „Freude und Leid beide von Gott kommen und Gott weiß, was für jeden Menschen das Beste ist.“

Trotz ihres Alters fürchtet sie auch den Tod nicht, denn sie ist überzeugt, dass mit dem Tod „das Leben nicht endet, sondern sich verwandelt.“

Eine einfache Frau, die ihr Leben lang Bäuerin war und die persönlichen Probleme und Tragödien mit der Weisheit ihres tiefen Glaubens an das Evangelium gemeistert hat.

Marianna hat gelebt, als ob sie ein Volkslied, das sie in ihrer Kindheit hörte und auswendig lernte, zum Leitmotiv ihres Daseins erhoben hätte: „Die Menschen lieben, Gott lieben: Das ist der gerade Weg ins Paradies. Wenn dein Herz und deine Werke voller Liebe sind, wirst Du mit den Engeln im Paradies sein“ (Auf Polnisch reimen sich diese Verse).

Um diese alte Frau zu treffen, die heute als Mutter des seligen P. Jerzy Popiełuszko bekannt ist, bin ich in ein abgelegenes Dorf im Nordosten Polens gefahren, nahe an der Grenze zu Litauen, etwa 200 Kilometer von Warschau entfernt.

Marianna Gniedziejko –so lautete ihr Mädchenname – kam 1920 hier zur Welt, in Grodzisko, einem Dorf mitten in der grenzenlosen mitteleuropäischen Tiefebene, die einst, vor vielen Jahrhunderten, von einem riesigen Wald bedeckt war, der von Deutschland bis nach Russland reichte. Kartographen haben errechnet, dass genau hier die geografische Mitte unseres Kontinents liegt.

Die Gniedziejkos waren eine sehr fromme Familie, der Kirche und den Traditionen treu. Patriotisch waren sie auch: Ein Onkel Mariannas, Rafał Kalinowski, wurde vom russischen Zarenregime als Gefangener nach Sibirien geschickt und trat den Unbeschuhten Karmeliten bei. 1983 wurde er selig gesprochen, 1991 erfolgte seine Heiligsprechung. P. Jerzy pflegte deshalb zu sagen: „Wir haben einen Heiligen in unserer Familie.“

Der Alltag der Familie war vom Gebet und von den religiösen Festen geprägt. Marianna musste schon im Grundschulalter ihrer Familie bei der Feldarbeit helfen. Als Kind erkrankte sie an Typhus; um sie zu heilen sahen ihre Eltern sich gezwungen, eine Kuh zu verkaufen, was ein großes Opfer bedeutete.

Heute sagt Marianna scherzhaft, seitdem habe sie sich das Krankwerden abgewöhnt und pflege keine Kontakte mehr zu Ärzten. 1942 heiratete sie Władysław Popiełuszko, einen schönen, hochgewachsenen Mann, der zehn Jahre älter war als sie. Sie zog mit ihm in das Nachbardorf Okopy. Auch Familie Popiełuszko waren Landwirte; sie besaßen immerhin 17 Hektar eigenes Land. Leider hatten es Bauern, die eigenes Land bestellten, unter dem kommunistischen Regime das nach Kriegsende an die Macht kam, nicht leicht: Die Kommunisten zwangen jede Familie, dem Staat einen Teil der Ernte zu überlassen. Marianna erzählt: Familie Popiełuszko habe deshalb zwar nicht Hunger gelitten, aber sie habe ihren Lebensstandard auf ein Minimum reduzieren müssen.

In ihrem Haus in Okopy brachte Marianna 1947 ihr drittes Kind zur Welt, einen Sohn: den zukünftigen seligen Priester Jerzy Popiełuszko. Mein Gespräch mit Frau Popiełuszko nimmt genau von diesem freudigen Ereignis seinen Ausgangspunkt.

Können Sie sich noch an die Geburt Ihres Sohnes Jerzy erinnern?

Marianna Popiełuszko: Selbstverständlich ja. Die Wehen setzten am Abend des 14. September ein, dem Fest der Kreuzerhöhung, einem Sonntag. Ich war gerade die Kühe melken gegangen. Ich habe mich mühsam wieder ins Haus geschleppt, wo sich zum Glück meine Mutter befand, die in Erwartung meiner Niederkunft gekommen war. Die Geburt an sich war nicht sonderlich schwer, aber an den kommenden Tagen bekam ich heftige Kopfschmerzen und verlor sogar vorübergehend meine Sehfähigkeit. Aufgrund dieser momentanen Blindheit konnte ich nicht zur Taufe meines Kindes in die Kirche gehen.

Aus dem Taufregister der Pfarrei von Suchowola geht hervor, dass der künftige Pater Jerzy auf den Namen Alfons getauft wurde…

Marianna Popiełuszko: Diesen Namen hatte ich für ihn ausgesucht. Immer, wenn ich schwanger war, verbrachte ich meine Zeit damit, einen geeigneten Namen für mein Kind zu suchen, damit es einen guten Schutzheiligen bekomme. Für diesen Namen entschied ich mich schon im Mai, als ich zu Hause etwas über das Leben des heiligen Alfonso Maria de’ Liguori las. Mein Sohn hat diesen Namen bis zu seinen ersten Jahren im Priesterseminar verwendet; zu Hause riefen wir ihn mit der Koseform Alek.

Warum änderte Ihr Sohn im Seminar seinen Namen in Jerzy (Georg) um?

Marianna Popiełuszko: In Warschau, wo er studierte, wurde der Name „Alfons“ als Schimpfwort verwendet; er bedeutete soviel wie „Zuhälter“. Mit Erlaubnis seiner Oberen im Seminar änderte mein Sohn seinen Namen daher in Jerzy. Ich habe nicht dagegen protestiert, schließlich war er erwachsen.

Zurück zu seiner Kindheit. Wie war Alek als Junge?

Marianna Popiełuszko: Er war ein zartes, etwas schwächliches Kind. Mir bereitete er nie Schwierigkeiten, denn er war gehorsam, arbeitswillig und geduldig. Er liebte Geselligkeit und war sehr aufgeschlossen. Er verbrachte seine Zeit lieber mit einem Buch als bei der Feldarbeit. Unsere Kinder gingen alle zur Schule und machten ihre Hausaufgaben, aber sie halfen auch auf den Feldern mit. Alek war ein fleißiger Schüler und erhielt gute Noten. Einmal sagte der Pfarrer zu mir: „Dieses Kind kann später einmal ein sehr guter oder ein sehr schlechter Mensch werden; alles hängt davon ab, wie er erzogen wird.“ Also habe ich mich bemüht, ihm die bestmögliche Erziehung zukommen zu lasse. Aber das Wichtigste fürs Leben ist, den Kindern Gott nahe zu bringen.

Wie ist seine Berufung zum Priester aufgekeimt?

Marianna Popiełuszko: Wir waren immer schon eine sehr gläubige Familie. Bei uns war es üblich, jeden Morgen nach dem Aufstehen und jeden Abend vor dem Schlafengehen auf den Knien zu beten. Jeden Mittwoch wurde zu Unserer Lieben Frau von der immerwährenden Hilfe gebetet, am Freitag hingegen zum heiligen Herzen Jesu und am Samstag zur Madonna von Częstochowa. Im Monat Mai haben wir immer die Lauretanische Litanei gesungen, im Juni die Herz-Jesu-Litanei, im Juli die Litanei zum Heiligen Blut Christi, und im Oktober wurde der Rosenkranz gebetet. Dreimal die Woche, am Mittwoch, Freitag und Samstag, wurde fleischlos gekocht, denn es ist gut, wenn der Mensch schon als Kind lernt, dass man im Leben Opfer bringen muss und nicht immer alles nach unseren Wünschen oder Launen geht. Das ist das Umfeld, in dem Alek aufgewachsen ist. Ich wusste aber, dass er auch von selbst auf sich achtete. Er ging regelmäßig zur Beichte und zur Kommunion; er betete auch alleine. Später wurde er Messdiener: Jeden Tag stand er zeitig auf und ging fünf Kilometer zu Fuß durch den Wald, um pünktlich um sieben in Suchowola in der Kirche zu sein. Egal ob es regnete oder schneite. Das hat er von seinem ersten Schuljahr an bis zum Abitur eingehalten.

Der zweite Teil morgen...

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